für Ausstellungseröffnung von Anja Meixner am 15.10.2014
TERRA INCOGNITA – Der Ruf der Wildnis
Liebe Freunde der Kunst,
wir freuen uns, mit Ihnen gemeinsam zu einer Reise ins Unbekannte aufbrechen zu können. Von der Ursprünglichkeit der Natur hin zu den Gegensätzen moderner Zivilisation – so könnte diese Rede auch übertitelt sein.
Doch was verbinden wir heutzutage mit Wildnis? Unerschlossenes Terrain, Ruf nach Extra-vagantem, Reiselust und Neugierde zugleich.
Und Abenteuer, die auch hierzulande noch erlebbar sind, auch wenn wir nicht die Odyssee teilen möchten, die der Höhlenforscher Johann Westhauser in der Riesending- Höhle bei Berchtesgaden im Frühsommer durchmachen musste – 1000 engagierte Hilfsbereite waren nötig, um den Verletzten wieder nach 11 Tagen Dunkelheit an die Erd-Oberfläche und somit ans Tageslicht zu transportieren.
Was sagt uns das?
Mh? Das sagt mir, mindestens mir, dass die Natur sich nicht so einfach bewältigen lässt…dass man behutsam mit ihr umgehen sollte…dass die Fähigkeiten der Menschen begrenzt sind, in Verhältnis zu den Möglichkeiten der Natur aber das sagt mir auch, dass die Natur verletzbar ist, zerbrechlich, und kann sich rächen….Natur als Abenteuer, Wildnis, als Zusammen-Schmelzen des Menschen als Teil der Natur in die Natur als Ganze, aber auch Natur als zerbrechlich, das sind unter anderen Anjas-Themen.
Gehen wir jetzt langsam voran und beginnen wir mit einigen technischen Daten:
Anjas Exponate zeichnen sich durch einen vielschichtigen Bearbeitungsprozess aus. Fragen Sie uns und fragen Sie Anja näher nicht, wie der Prozess sich genauer gestaltet: das gehört zu den Geheimnissen jedes Künstlers. Eins können wir Ihnen aber verraten: der Prozess gestaltet sich auch als ein emotionaler Akt. Die Kunstwerke bearbeitet die Ethnologin solange, wie ihre Emotionen es ihr sagen und manchmal ist das Ergebnis so, dass einige Fotos wie Malerei aussehen können.
Der Fotoapparat – gleichsam als „imaginärer Freund“ und neuerdings auch die Unterwasserkamera sind ständige Begleiter für die Künstlerin, die beim Reisen der Unaufhaltsamkeit der Veränderung entfliehen kann. Sie sammelt Momentaufnahmen, die sie dann mittels Collage- und Montage-techniken digital bearbeitet und verfremdet.
Gehen wir jetzt ein bisschen tiefer und kehren wir zurück, zu den Themen Natur,Vergänglichkeit,und Zerbrechlichkeit und Gewalt:
Das Undine-Motiv, also dem Wesen der Wasserfrau nachzugehen, ist ein Anliegen der Künstlerin, die souverän und autonom das Reisen auch als innere Reise zu sich selbst versteht. Um mit Rilke zu sprechen, „lebt sie ihr Leben in wachsenden Ringen. “Reisen ist für Anja „die Suche nach mir selbst und die Freiheit, mich selbst neu zu erfahren, Natur neu zu erleben und in Kontakt mit anderen Perspektiven zu kommen.“
Am Ende ihres Studiums beschäftigte sich Anja mit Ingeborg Bachmann, der Autorin des 1961 erschienenen Monologs „Undine geht“.
Undinen sind Elementarwesen. Man kann sie in den Schaumkronen des Wassers in Bewegung sehen. Sie sind da und sie sind nicht da. Vielleicht existieren sie, vielleicht doch nicht. Wer weiß…Sie haben einen kurzlebigen Charakter.
Typisch für ein eigentlich freies Wesen wie eine Undine ist, dass sie eine Seele bekommt nur wenn sie einen Sterblichen heiratet. Sie ist also bedürftig. Und muss einen Mann haben.
Sie ist menschenfreundlich, wenn man sie ihrer Natur gemäß leben lässt, sie kann aber turbulent werden, wenn der sterbliche Ehemann untreu wird.
So wie der Mann gegenüber der Undine untreu werden kann, so kann sich der Mensch gegenüber der Natur verhalten und dementsprechend kann die Natur turbulent wie eine Undine werden und sich für die menschliche Untreue rächen.
In dem Werk von I. Bachmann ringt Undine um Emanzipation – hier macht sich Gesellschaftskritik breit.
Bei Bachmann – so schreibt die Germanistin Kathrin Nasser in ihrer Studie „Undine im Wandel der Zeit“ entscheidet Undine selbst, dass sie die Menschenwelt verlassen will, um in ihr Element, das Wasser, zurückzukehren.
Aber es wird nicht wirklich wahr….denn:
...wenn ich eines Tages freikam aus der Liebe, musste ich zurück ins Wasser gehen...Tauchen, ruhen, sich ohne Aufwand von Kraft bewegen – und eines Tages sich besinnen, wieder auftauchen, durch eine Lichtung gehen...“Für Undine bei Ingeborg Bachmann entstehen Beziehungen aus Liebe und nicht aus einem Kalkül heraus und die Sehnsucht danach bleibt bestehen.
Geographisch soll Neuland erkundet werden, psychologisch gesehen, möchte die Kosmopolitin Anja den Dingen „auf den Grund gehen und sich im Ozeanischen verlieren.“
Sonia Vitali wird nun vier typische Fotografien näher beleuchten, die uns die Natur-Elemente vor den Fidji-Inseln,im autralischen Outback, auf Bali oder in Vietnam vor Augen führen.
1. Selbstbildnis – Torso im Wasser: ein Körper, der bereits der Verwesung anheimgegeben ist oder die Sehnsucht nach Auflösung?
2. Schnecke – mit Unterwasserkamera aufgenommen – ein anderer Betrachter mag aber auch den Humus erkennen, den verwelkende Blätter im Herbst entstehen lassen, quasi eine Transformation von der Erde zur Erde – ein liebesvoller Blick auf die Vergänglichkeit und die Fragilität der Schöpfung.
3. Skelett eines Pferdes im Australischen Outback – nicht ohne Risiko findet Anja Meixner hier ihr Motiv – unter der sengenden Sonne Australiens. In dieser Fotografie dominiert der Vanitas-Gedanke.
4. Umkehrungen und Überlagerungen auch beim vierten Exponat – Wolkenkratzer unter dem Meeresspiegel? Haben wir es hier mit einem modernen Atlantis zu tun? Der Einzelne gefangen in der modernen Wildnis, der kalten Anonymität einer Metropole? Menschen sind wie Fische im Netz gefangen, in der Anonymität der Stadt löst sich die Identität des Einzelnen auf.
Wir bedanken uns bei Anja Meixner für die vielseitige Ausstellung, die uns auch entlegene Orte näherbringt und wünschen dem Publikum viel Spaß und Inspiration beim Betrachten der Fotografien und Raum für eigene Gedanken und Assoziationen.